Kulinarik, Kreislaufwirtschaft und gelebter Artenschutz in der Toskana / Agriturismo in Italien
Es ist noch früh am Morgen in der italienischen Toskana. Die Sonne lässt sich erst zaghaft blicken, noch liegt ein stiller Zauber über der Piazzetta – dem Herzstück der Fattoria La Vialla. Auf dem kleinen Platz mit den blau-weiß karierten Tischtüchern herrscht noch Ruhe. Doch in der Luft liegt schon dieser ganz besondere Duft: nach frisch gebackenem Brot, frischen Keksen und einem Hauch Rosmarin. Aus der Backstube, in der die beliebte Toskanischen Mandelplätzchen Cantucci hergestellt werden, dringt gedämpftes Klappern. Hier wird bereits mit viel Hingabe und in echter Handarbeit gewerkelt. Vor dem Eingang kehrt eine Mitarbeiterin noch rasch den Sand von den Steinen, ein anderer richtet liebevoll die Tische für die Mittagsgäste her. Die Maiskolben unter dem hölzernen Vordach rascheln leise im Wind.
Wer jetzt über den Hof spaziert, spürt sofort: Hier wird mit Herz gearbeitet – und mit Zeit. Alles wirkt irgendwie entschleunigt, handgemacht, gewachsen. Im Hofladen werden die Regale mit Olivenöl, Pasta, Wein und Aufstrichen aufgefüllt. Die Mitarbeitenden grüßen herzlich, als sei man längst Teil dieser außergewöhnlichen Hofgemeinschaft.






Von Schafen, Milch und Pecorino
Nicht weit von der Piazzetta geht es in der Käserei schon seit den frühen Morgenstunden hoch her. Denn Pecorino – der charaktervolle Schafskäse, der für die Region rund um Arezzo so typisch ist – will rechtzeitig in Form gebracht werden. Mehrere Hundert Liter Milch werden hier täglich verarbeitet, ausschließlich in Handarbeit. Aktuell hat der Käse Hochsaison, denn die Schafe geben nur in der Zeit Milch, in der auch die Lämmer da sind. Auf der Fattoria wird im Zyklus der Tiere gearbeitet. Sie dürfen ihre wohlverdienten Pausen haben – und über die weitläufigen Weiden von La Vialla streifen. Je nach Sorte reift der Pecorino mehrere Monate, von mild bis kräftig, von jung bis alt. Als Nebenprodukt entsteht der cremige Ricotta, der gerne Eingang in die hofeigenen Pesti findet.
Geleitet wird die Käserei von einer Frau, die eine unglaubliche Stärke und zugleich eine gewisse Verletzlichkeit ausstrahlt. Valentina ist eine dieser besonderen Persönlichkeiten, die auf der Fattoria wirken – mit einer bewegenden Fluchtgeschichte aus Albanien, einem feinen Gespür für Qualität und dem Wunsch, für sich und ihre Familie etwas Sinnstiftendes zu tun.
Auch Hühnerhirte Felix ist nach Italien gekommen, um hier sein Glück und Arbeit zu finden. Er stammt ursprünglich aus Burkina Faso und ist mit Hühnern großgeworden. Seit zehn Jahren ist er bereits auf La Vialla und kümmert sich um die rund 1000 Tiere. Er wirkt, ruhig, freundlich, fast schon ein wenig schüchtern. Genau dieses sanfte Gemüt kommt ihm bei der täglichen Arbeit zugute. Während Hennen als eher schreckhaft gelten, werden die Tiere auf Felix Arm auf einmal ganz ruhig.











Der Bauernhof als Kreislauf
Eier und Käse sind nur zwei von vielen Produkten, welche die Fattoria La Vialla ausmachen. Pasta aus Hartweizen, fruchtige Tomatensaucen, Orangenmarmelade, Kastanienhonig, Balsamico-Essig und natürlich verschiedenste Weine und das Gold der Toskana: Olivenöl. Alles wird direkt hier auf dem Hof hergestellt, und zwar nach Demeter-Richtlinien. Die biodynamische Landwirtschaft gilt als Goldstandard unter den Bioprodukten und geht damit weit über „klassische“ Bio-Standards hinaus.
Demeter kurz erklärt
Das sogenannte Demeter-Siegel steht für Produkte aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft und gilt als das strengste Bio-Siegel in Deutschland. Es basiert auf den Prinzipien von Rudolf Steiner und verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, welcher Klima, Böden und Ressourcen schont. Konkret bedeutet dies:
- kein Einsatz chemisch-synthetischen Pestizide oder Dünger
- artgerechte Tierhaltung (Dies meint u.a., dass die Tiere Weidegang haben und Rinder zum Beispiel ihre Hörner behalten.)
- Biodiversität fördern (keine Monokulturen, Erhalt der Artenvielfalt fördern)
- geschlossene Hofkreisläufe (Futter, Mist, Kompost etc.)
- Anbau im Rhythmus der Natur (Mondphasen, Fruchtfolgen)
- Einsatz biodynamischer Präparate aus Kräutern und Mineralien
Fattoria La Vialla in der Toskana: Bauernhof als Kreislauf verstehen
Wer den Hof besucht, merkt schnell: Hier ist alles miteinander verbunden. Schafe und Hühner gehören ebenso zum Kreislauf wie Kompost, Pflanzenjauchen oder spezielle biodynamische Präparate aus Horn und Kuhdung. Nichts ist Abfall, alles wird weiterverwendet. Am Kompost der Fattoria La Vialla herrscht Tag für Tag ein reges Treiben. Vögel wie die Goldammer, Kuhreiher oder der scheue Ziegenmelker finden hier ein Festmahl.
Naturkosmetiklinie mit natürlichen Antioxidantien
Den Überresten aus der Olivenölproduktion kommt eine besondere Rolle zu. Denn in dem sogenannten Vegetationswasser, welches beim Pressen der Früchte gewonnen wird, findet sich eine extrem hohe Konzentration sekundärer Pflanzenstoffe. Diese wertvollen Polyphenole haben eine erstaunliche antioxidative Wirkung. Genau diese Superpower der Überreste haben sich kluge Köpfe auf La Vialla zunutze gemacht. Herausgekommen ist zum einen ein Nahrungsergänzungsmittel und zum anderen eine eigene Naturkosmetiklinie.


Landwirtschaft trifft auf Artenvielfalt
Doch bei alledem ist die Fattoria La Vialla in der Toskana weit mehr als ein Biohof. Sie ist ein Ort, an dem Landwirtschaft, Naturschutz und Gastfreundschaft Hand in Hand gehen. Auf rund 1.600 Hektar erstrecken sich Wiesen, Felder, Olivenhaine, Weinberge, Wälder und historische Gehöfte – damit ist die Fattoria das größte Demeter-zertifizierte landwirtschaftliche Unternehmen Italiens.
In dieser reich strukturierten Kulturlandschaft brüten Mönchsgrasmücke, Buntspecht und Nachtigall. Auch Eisvogel, Bienenfresser und Zwergohreule lassen sich hier beobachten. Nachts streifen Rotfüchse und Stachelschweine durch das Gelände. Im September 2024 erschien ein umfassender Bericht zur Artenvielfalt auf der Fattoria La Vialla – verfasst von Esther Clausen, Stefan Wolff und Dr. Bodo Grajetzky.
Zum ausführlichen Bericht über die Artenvielfalt auf der Fattoria La Vialla
Die Beobachtungen zeigen eindrucksvoll, wie nachhaltige Landwirtschaft und aktiver Artenschutz im Einklang gelingen können. Zwischen wildem Thymian, Johanniskraut, seltenen Wacholderbüschen und Zypressenhainen tanzen unzählige Schmetterlinge. Der seltene Wiedehopf hat hier sein Revier, Eidechsen sonnen sich auf warmen Steinen. Und weiter oben in den Hügeln lebt inzwischen sogar ein kleines Rudel Wölfe. Diese Biodiversität ist kein Zufall – sie ist das Ergebnis eines bewusst gestalteten, lebendigen Kreislaufs.





Agriturismo in Italien: Urlaub mitten im toskanischen Idyll
Wer mag, kann auf der Fattoria nicht nur einkaufen oder an einer Hofführung teilnehmen, sondern gleich ganz in diese Welt eintauchen. Die alten Bauernhäuser wurden liebevoll restauriert und bieten Feriengästen aus aller Welt ein Zuhause auf Zeit – verteilt über das weitläufige Gelände mit Blick auf die Hügel, Olivenhaine und Wälder. Jedes Haus ist so individuell wie die Menschen, die hier arbeiten. Manche Gäste bleiben ein paar Tage, andere kommen Jahr für Jahr wieder und helfen sogar bei der Olivenernte. Denn wer einmal hier war, den lässt dieser Ort nicht so schnell los.



Ein Stück Toskana für zu Hause
Wer sich dieses Lebensgefühl mit nach Hause nehmen möchte, kann alle Produkte der Fattoria La Vialla auch nach Deutschland bestellen. Der Pecorino, das Olivenöl, die Pasta, die Kekse – alles ist online erhältlich, liebevoll verpackt und direkt vom Hof versendet. Geheimtipp von mir: Unbedingt die Schokocreme „Viallella fondente“ probieren. Ein Stück echte Toskana, das auf der Zunge zergeht.
