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Food / Schleswig-Holstein

Pilze sammeln in Kiel

Mit Flechtkörben und Taschenmesser bewaffnet erreichen die ersten Teilnehmer der geführten Pilzwanderung den Waldrand in Mielkendorf im Kreis Rendsburg-Eckernförde. Schnell wird klar: Pilzsammler sind schon lange keine Randgruppe mehr. Ein junges Pärchen holt noch schnell seine Gummistiefel aus dem Auto, während ein zwölfjähriger Junge aufgeregt um einen Baumstumpf hüpft und seine Mutter mit Fragen löchert. Einige sind bereits in den Informationsbogen vertieft, den Leiter Sönke Lettau verteilt hat. 30 Teilnehmer sind an diesem Sonntag früh aufgestanden, um sich ihr Mittagessen selbst zu suchen.

Nach einer kurzen Einführung wie man Pilze am besten aus der Erde holt – nämlich mit der ganzen Wurzel vorsichtig rausdrehen, damit die Bestimmung einfacher ist – geht es in den Wald. Zunächst darf alles ins Körbchen, was wie ein Pilz aussieht – ganz gleich ob giftig oder essbar. Denn an diesem Morgen soll schließlich etwas über alle Sorten gelernt werden.

Die Pilz-Ausbeute wird auf dem Baumstumpf begutachtet.

Geführte Pilzwanderung in Kiel

Die ersten Erfolge gibt es bereits nach wenigen Minuten. An der Baumwurzel reihen sich grünlich schimmernde Knollen aneinander, zwischen den Laubblättern ragen lilafarbene Köpfe empor und auch am Wegesrand, wo ein kleiner Wall aus dunkler Erde entlangführt, sprießen ein paar dunkelbraune Pilze. Auch wenn das dickbäuchige Exemplar neben ein paar abgeholzten Bäumen mit seiner schuppigen Haut alles andere als essbar aussieht, packt Pilzneuling Maren Müller die dicke Knolle in ihr Körbchen. Dazu gesellen sich ein paar der lilafarbenen Exemplare, mehrere dicke braune Knollen und auch ein schleimiger weißer Pilz, den sie von einem Buchenstamm gesammelt hat. Nach einer Viertelstunde kommen die Teilnehmer an einem großen Baumstumpf zusammen und präsentieren die Ergebnisse. Leiter Lettau nimmt sich jeden einzelnen Pilz vor und erzählt den wissbegierigen Naturfreunden, dass der schuppige Pilz in Maren Müllers Korb ein sogenannter Kartoffelbovist und alles andere als genießbar ist. Er wird öfter aufgrund seiner schwarzen Färbung im Inneren fälschlicherweise als Trüffel verwendet. „Sehr gefährlich“, wie Lettau berichtet. Denn in größeren Mengen ist der Kartoffelbovist giftig. Außerdem erfährt die Gruppe, dass der Perlpilz immer rosafarbene Verletzungsspuren aufweist und die Marone dank ihres gelblichen Schwamms gut erkennbar ist. Sie gehört übrigens auch zu den Lieblingen von Schnecken und Wildschweinen. Findet man eine Marone, lohnt es sich, die Ecke noch genauer abzusuchen. Denn der Maronen-Röhrling wächst meistens in Gruppen.

Maronen wachsen meist in Gruppen

Während ein schmaler dunkelbraune Pilz im Kreis weitergegeben wird, geht ein Raunen durch die Gruppe. Der riecht aber nach Knoblauch – Darüber sind sich alle einig. Tatsächlich gibt das Gewürz diesem Pilz den Namen: Der langstielige Knoblauchschwindling verleiht jeder Pilzpfanne eine gewissen Würze. „Einer reicht für das ganze Gericht“, rät Lettau.

Steinpilz gehört zu den beliebtesten Speisepilzen

Unter der Ausbeute der Sammlerneulinge ist sogar ein großer Steinpilz. Dieser Speisepilz gehört zu den schmackhaftesten und beliebtesten Arten der Deutschen. Bei der Analyse der ersten Sammelaktion wird auch klar, dass der grünblättrige Schwefelkopf wieder aus dem Korb fliegen muss. Anders ist es bei dem glitschigen weißen Pilz, den zwei Freundinnen von einer Buche gesammelt haben. Der sogenannte Buchenschleimrübling ist genießbar und erinnert im Geschmack ein wenig an Rettich. Nach der ersten Bestimmung geht es für die Gruppe tiefer in den Wald hinein. Ab jetzt sollen es nur noch Speisepilze ins Körbchen schaffen.

Der Steinpilz ist besonders beliebt.

Pilze sammeln hat etwas Meditatives

Es hat schon fast etwas meditatives, dieses Knacken der Äste und das Rascheln im Laub. Einige Frösche und Schnecken sind an diesem Sonntagmorgen ebenfalls schon unterwegs. Als die Sammler dann noch unerwartet auf zwei Jäger mit einer Dackeldame im Fahrradkorb treffen, macht das spontane Jagdhornkonzert die Idylle perfekt. Beim zweiten Mal Ausscheren ist die Gruppe motiviert, ihr soeben erlerntes Wissen direkt umzusetzen. Besonders der Knoblauchpilz hat es den Teilnehmer angetan. Der kleine dunkelbraune Pilz soll unbedingt mit in die Mittagspfanne.

Pilze sammeln liegt im Trend

Pilze sammeln scheint voll im Trend zu liegen. Die geführten Wanderungen der Volkshochschule Kiel seien schon Wochen vorher ausgebucht, erzählt Jürgen Lettau, der eigentlich als Maschinenbauingenieur arbeitet. Aber woher kommt dieser Andrang? Pilze sammeln sei schon immer bei den Deutschen beliebt gewesen, meint er. Doch dass sich inzwischen immer mehr und so unterschiedliche und vor allem auch jüngere Menschen dafür interessierten, sei schon erstaunlich. Vielleicht habe es etwas mit dem Wunsch nach einem bewussteren und nachhaltigeren Lebensstil zu tun. „Wir durchleben gerade einen gesellschaftlichen Wandel. Wir essen bewusster, setzen auf regionale Lebensmittel, bauen wieder mehr im eigenen Garten an. Dazu passt auch der Wunsch, mehr über essbare Pilze zu erfahren und sich sein Essen selbst im Wald zu suchen.“

Pilzneulinge sollten sich auf Röhrlinge fokussieren

Doch auch nach drei Stunden geführter Pilzwanderung ist man noch lange kein Pilzexperte, macht er seinen Teilnehmern nach der zweiten erfolgreichen Suche deutlich. Daher sollten sich Anfänger zunächst auf zwei oder drei Sorten beschränken, von denen sie sicher sind, dass diese nicht giftig sind. „Mit mehr Erfahrung können nach und nach mehr Pilzarten hinzugenommen werden“, sagt er. Für Pilzneulinge empfiehlt Lettau, sich auf die Röhrlinge wie Steinpilze oder Maronen zu konzentrieren. Denn unter den Röhrlingen gibt es keine tödlichen, giftigen Arten. Sie sind zudem einfach zu erkennen: Auf deren Hutunterseite befinden sich keine Lamellen, sondern eine schwammartige Röhrenschicht.

Maronen-Röhrlinge können auch von Pilz-Anfängern leicht erkannt werden.

Achtung vor „falschen Freunden“

Die Gefahr, einen giftigen Pilz mit nach Hause zu nehmen, bestehe vor allem bei den „falschen Freunden“. Einige Arten haben Doppelgänger, die sich zum Verwechseln ähnlich sind. Der falsche Pfifferling zum Beispiel oder der Kegelhütige Knollenblätterpilz, der dem klassischen Champignon ähnelt. Bei der Bestimmung von Pilzen sollte zudem nur auf aktuelle Literatur vertraut werden, so der Experte. In älteren Werken stehe zum Beispiel noch drin, dass der Kahle Krempling essbar sei. Heute seien aber etliche Todesfälle durch den Verzehr dieses Pilzes bekannt, erzählt Jürgen Lettau den Teilnehmern. Generell empfiehlt es sich, immer eine Mischung verschiedener Pilze in die Pfanne zu geben. Denn Pilze sind schwer verdaulich und einige Sorten können in größeren Mengen zu Allergien führen.

Die meisten Vergiftungen beim Pilze essen seien aber keine wirklichen tödlichen Vergiftungen, sondern klassische Lebensmittelvergiftungen aufgrund von Schimmel an den essbaren Pilzen.  Doch an diesem Sonntag besteht keinerlei Gefahr. Denn bevor die Teilnehmer der Pilzwanderung den Wald mit ihren prall gefüllten Körben in Richtung heimischer Küche verlassen, prüft Leiter Lettau ganz genau, was seine Schützlinge mit nach Hause nehmen. Grundsätzlich gilt die Regel: Im Zweifel lieber einen Pilz stehen lassen und kein Risiko eingehen.

  • Wer eine geführte Pilzwanderung machen möchte, kann sich bei den örtlichen Volkshochschulen und Vereinen melden. Vereine wie zum Beispiel die Kieler Pilzfreunden bieten auch individuelle Beratungen nach dem Sammeln an.  

Dos and Dont´s beim Pilze sammeln

  • Pilze mit der ganzen Wurzel herausdrehen, denn das erleichtert die Bestimmung. Nur erfahrene Pilzsammler sollten ein Messer zum Abschneiden benutzen.
  • Nicht unter Farn und Brombeersträuchern suchen – Hier finden sich nur selten Pilze.
  • An Bäumen suchen: Denn die meisten Pilze gehen Lebensgemeinschaften mit Bäumen ein. Hier werden Sammler häufig fündig.
  • Achtung vor alten Pilzen: Die meisten Vergiftungen sind Lebensmittelvergiftungen aufgrund von Schimmel an den essbaren Pilzen.  

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